Die Kallmünzer Burg ist in Gefahr

Eine neue Bürgerinitiative engagiert sich für die Sanierung

Kallmünz

„... ferne vom Getriebe der Städte, durchflossen von der bräunlichen Naab und der grünlichen Vils,... liegt der Ort so traulich in seiner unberührten Frische, so wunderschön in seiner hochromantischen Umrahmung, dass er auf jeden Naturfreund seinen eigenartigen Reiz ausübt“, so beschrieb schon Johann Baptist Lassleben, der Begründerder über hundert Jahre altenHeimatzeitschrift „Die Oberpfalz“, einst seinen Wohnort Kallmünz. Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckten Künstler aus ganz Deutschlanddiese Idylle und zogen im Sommer mit Skizzenblöcken und Staffeleien durch die Gegend. Die expressionistischen Gemälde von Wassily Kandinsky und Gabriele Münter im Münchner Lenbachhaus können dem Betrachter noch heute davon erzählen.

Am pittoresken Charme dieser Gegend im nördlichen Landkreis von Regensburghat sich seit jener Zeit nicht viel verändert. Kallmünz wird geprägt durch die auf einem mächtigen Felssporn gelegene, trutzige Festungsanlage und den zu ihren Füßen ausgebreitetenMarkt am Zusammenfluss von Vils und Naab. Nach wie vor schlendern viele Künstler und Touristen durch die engen Gassen, kehren in die urigen Wirtshäusern ein oder steigen den steilen Pfadzur Ruine empor, um diesem bedeutenden Baudenkmal einen Besuch abzustatten und von dort den weiten Ausblick ins Land zu genießen. 

Der Schlossberg in Kallmünz gehört zusammen mit demFrauenberg bei Kelheim und dem Bogenberg bei Straubing zu den ältesten befestigten Höhensiedlungen in Bayern. Er war bereits in der Altsteinzeit (bis 12000 v. Chr.) bewohnt. Mit dem äußeren Ringwall, der noch aus der Mittleren Bronzezeit (1600 – 1300 v. Chr.) stammt, wird das Burggelände großflächig nach Norden abgesichert. Dieser erste Wallist über einen Kilometer lang und bis zu 3,30 Meter hoch. Der anschließende innere Wall wurde vermutlich in der Urnenfelderzeit (1200 - 800 v. Chr.)angelegt und in der Folgezeit weiter verstärkt. Er erstreckt sich über rund 225 Meter, ist bis zu 12 Meter hoch und umschließtdasdreiHektar große Areal unmittelbar vor der Ruine im Norden. Die Anlage der Burg, die direkt an denRand des Steilhangsgebaut wurde, verfügt über romanische und frühgotische Ruinen, deren älteste Teile aus dem 12. Jahrhundert stammen. Mit ihrer erhaltenenRingmauer, der Artillerieumwehrung, dem Torbau, dem Bergfried mit seinem hochgelegenen Eingang, dem Palas undder Kapelle stellt diese Festungsanlage das Musterbeispiel einer Burg dar. Hier an der Kreuzung mehrerer Altstraßen entlang der Flüsse diente sie zur Sicherung einer Reichszollstelle. 1459 gelangte die Burg zusammen mit dem Markt in den Besitz von Herzog Albrecht III. von Oberbayern, fiel jedoch knapp fünfzig Jahre später an das Herzogtum Pfalz-Neuburg. Nach den Zerstörungen imDreißigjährigen Krieg verfiel die Anlage. Seit Ende des 19. Jahrhundert hat man sie wiederholt in Teilabschnitten repariert. Doch der Zahn der Zeit nagte weiter an den alten Gemäuern.

Heute ist der Bestand der Burg akut gefährdet. Durch witterungsbedingte Erosion der Oberflächen, durch Risse und Mauerwerksverformungen ist nun auch die Verkehrssicherheit nicht mehr gegeben. Am schlimmsten steht es um den Wehrturm. Ein Teil des Geländes musste deshalb gesperrt werden. Auf die Gemeinde, in deren Besitz sich die Burg seit 1781 befindet, kommen nun kostspielige und langwierigeSanierungsarbeiten zu, die angesichts der angespannten Haushaltslage kaum zu bewältigen sind. 

In dieser prekären Situation hat sich vor ein paar Monaten eine Gruppe aktiver Burgfreunde zusammengeschlossen und den Bergverein wieder ins Leben gerufen. Es handelt sich um Menschen aus den unterschiedlichsten Berufen, die mit ihrer Tatkraft und ihrem Sachverstand die Gemeinde bei ihrem schweren Unterfangen unterstützen wollen. Ihr Ziel ist die behutsame Sanierung der Burgruine im Rahmen eines langfristigen Gesamtkonzepts unddie Erforschung ihrer Baugeschichte, bei der noch vieles im Dunkeln liegt. Der Verein sieht sich in der Tradition der ersten Vereinigung unter diesem Namen, die 1885 von dem eingangs erwähnten Johann Baptist Lassleben initiiert worden war. Der Vorgängerverein mussteEnde des 19. Jahrhunderts die Bevölkerung davon abbringen, die Burgruine weiterhin als Steinbruch für eigene Bauvorhaben auszuschlachten. Die jetzige Gemeinschaft willüberzogene, von rein kommerziellen Gesichtspunkten bestimmtePlanungen, wie sie in der Vergangenheit öfters verfolgt wurden,verhindernund möglichst kostengünstige und umweltverträgliche Lösungenfür die Burgsanierung und die anschließende Nutzung entwickeln.

Schon als der Markt Kallmünz vor vier Jahren beabsichtigte, das Burgareal zur besseren wirtschaftlichen Nutzung umzubauen und in diesem Zusammenhang eine breite Zufahrt mit Wendehammer, neue Theater- und Zuschauertribünen, ein Funktionsgebäude, weitere Einbauten, sowie Grill- und Spielplätze plante, formierte sich in der Bevölkerung eine Bürgerinitiative, die gegen den „Fun-Park-Charakter“ dieses Vorhabens protestierte. Unter dem Motto „Finger weg von der Burg!“ wurde das Projekt gestoppt. Im letzten Frühjahr sollte dann auf Initiative des Regensburger Landratsamtes eine „touristische und kulturelle Aufwertung der Burganlage“ mit Hilfe finanzieller Mittel des EU-Förderprogramms „Leader“ erfolgen. Vorgesehen war die Anlage eines Parkplatzes, der Ausbau des Weges zur Burganlage und eine neue Aussichtsplattform auf dem Bergfried der Burg. Bei der Analyse dieses Vorschlags ergaben sich jedoch viele Schwachstellen, so dass der Verein Alternativen dazu vorlegte. Man wollte auch nicht der Verlockung erliegen, nur zu bauen, weil ein Zuschuss winkt. Geklärt werden muss noch, ob der verbleibende Eigenanteil für die Marktgemeinde überhaupt erschwinglich ist.Im Zusammenhang mit den dringend erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen für die Festungsanlage erarbeitete das bayerische Landesamt für Denkmalpflege fürden Markt Kallmünz nun jüngst eine detaillierte Ausschreibung, mit der die Angebote für die anfallenden Arbeiten eingeholt werden können. Eines steht jedoch schon heute fest: Die Sanierung wird ein langfristiges Projekt. Für vergleichbare Arbeiten benötigte man beispielsweise auf der Donaustaufer Burganlagedreizehn Jahre.

Auch auf dem Kallmünzer Schlossberg stehen umfangreiche Arbeiten an, denn die Sicht auf die romantische Burgruine ist zunehmend durch Bäume und Sträucher behindert. Früher wurden auf die Felshänge Ziegen und Schafe getrieben. Sie hielten den Bewuchs klein. Dadurch war die Flora und Fauna der Kalkrasenlandschaft gesichert. Die teilweise Aufforstung nach dem Zweiten Weltkrieg und fehlende Beweidung haben diese Vegetation empfindlich gestört. Der Bergverein erklärte sich nun bereit, die Landschaftspflege auf dem Schlossberg zu übernehmen. Nach einem festgelegten Stufenplan soll die Entbuschung möglichst kostenneutral für die Marktgemeinde erfolgen. Das bedeutet einen umfangreichen ehrenamtlichen Einsatz für die Mitglieder desBergvereins. Der Erfolg dieser Maßnahmehängt jedochvon einemdamit verbundenen Konzept für eine dauerhafte Beweidung ab. Der Vereinsvorsitzende Werner Meier machte dazu den Vorschlag, „Ziegenpaten“zu suchen, die bereit sind, ein Tierfür den Schlossberg zu finanzieren,damit man auf diese Weise den Aufwand für die Landschaftspflege in den Griff bekommt. Ob sich dafür Sponsoren finden, bleibt abzuwarten. Doch das ist nur eine von vielen kreativen Ideen, die im Bergverein entwickelt werden, um den malerischen Anblick und die historischen Schätze des Ortes zu erhalten. Bis Ende Februar zeigt die Aktionsgemeinschaft im Alten Rathaus an der Naabbrücke die Ausstellungen „Kallmünz auf historischen Karten und alten Ansichten“ und „Burgen im Landkreis Regensburg“. Hier erfahrt der Besucher viel über die Geschichte und Bedeutung des Ortes, kann in die Welt der Ritter eintauchen und den Burgenreichtum der Oberpfalz entdecken.

Weitere Informationen: Bergverein Kallmünz e. V. , Meier Werner, Marktplatz 1, 93183 Kallmünz, www.bergverein-kallmuenz.de

Chr. Riedl-Valder

aus: Altbayerische Heimatpost 8, 2014, S. 12f

Detailaufnahmen der Burg Kallmünz

Detailaufnahmen der Burg Kallmünz

Detailaufnahmen der Burg Kallmünz

Blick auf Kallmünz vom Schlossberg aus

Blick auf Kallmünz vom Schlossberg aus

Georg Vielwerth, Werner Meier und Charly Söllner vom Bergverein Kallmünz

(von links nach rechts:) Georg Vielwerth, Werner Meier und Charly Söllner vom Bergverein Kallmünz

 Fotos (Chr. Riedl-Valder)