Kreative Kerzenkunst 

In der Werkstatt von Andrea Beer dreht sich alles ums Wachs

Wachskunst Andrea Beer

 „Schon eine einzige Kerze vertreibt das Dunkel, schon ein einziges Lachen besiegt die Traurigkeit“ lautet ein alter Spruch, der die wohltuende Ausstrahlung einer brennenden Kerzenflamme beschreibt. Wie sehr dieses Licht geschätzt wird, zeigt die Tatsache, dass in Deutschland jährlich rund 200.000 Tonnen Kerzen verkauft werden. Viele davon werden als Geschenk weitergegeben, da sie durch ihre Vielfalt individuellen Geschmack und Vorlieben besonders gut treffen können. Andrea Beer, die in ihrer Werkstatt im Landkreis Regensburg künstlerisch verzierte Wachsprodukte gestaltet, ist über den aktuellen Trend beim Kerzenkauf bestens informiert. „Runde Kerzen sind zur Zeit nicht gefragt“, weiß sie aus ihrer täglichen Erfahrung heraus zu berichten.

Die Künstlerin begann ihren beruflichen Werdegang als Konditorin, eine Ausbildung, die sie noch in ihrer schwäbischen Heimat absolvierte. „Das war die ideale Vorbereitung für meine jetzige Tätigkeit“, beurteilt Andrea Beer heute diesen Lebensabschnitt. Ganz ähnlich,wie sie früher Rosen aus Marzipan formte, handhabt sie diesen Prozess nämlich jetzt mit einem anderen Material, das jedoch ganz ähnliche Eigenschaften hat. Für beide Berufe ist Fingerfertigkeit und handwerkliches Geschick gefragt. Nach erfolgreich abgeschlossener Lehre entschloss sie sich jedoch, erst einmal ihrem Onkel, einem Pfarrer, den Haushalt zu führen. In dieser Zeit entdeckte sie ihre Liebe zur Wachskunst und bastelte bereits Kerzen für den Gebrauch an kirchlichen Feiertagen. Während ihrer anschließenden Tätigkeit für die Firmen Wachswaren Dunzinger und Wachszieherei Hueber in Regensburg konnte sie auf diesem Gebiet vielfältige Erfahrungen sammeln. Nach der Hochzeit und Familiengründung entschloss sich Andrea Beer dann im Jahr 1999, ihr Hobby nun endgültig zum Beruf zu machen. Mit Unterstützung ihres Mannes richtete sie sich im Keller ihres Wohnhauses in Neukirchen bei Hemau Werkstatt, Verkaufsraum und Lager ein.

Ihre künstlerischen Aktivitäten hatten sich bald herumgesprochen. Nachbarn, Freunde und Bekannte nutzten von Anfang an diese Möglichkeit, um individuell gestaltete Geschenke und Gebrauchsgegenstände zu erhalten. So entstanden beispielsweise Geburtstagskerzen mit den Lieblingsmotiven der Beschenkten, Hochzeitskerzen mit ineinander verwobenen Herzen, die sich in gleicher Zeichnung auf den Einladungs-, Tisch- und Menükarten wiederfinden oder – ganz exklusiv - Kerzen, auf denen die Speisefolge des Festessens aufgeschrieben ist und deren Brenndauer exakt von der Vorspeise über den Hauptgang bis zum Dessert berechnet ist. Einige Pfarrer führten den Brauch ein, den Ehepaaren ihrer Gemeinde zur Goldenen Hochzeit und anderen Jubiläen Kerzen mit einer Ansicht der eigenen Pfarrkirche zu schenken. Um eine möglichst genaue Wiedergabe des jeweiligen Gebäudes zu erreichen, orientiert sich Andrea Beer bei diesen Aufträgen mit ihrem Ent­wurf an Fotovorlagen, die ihr der Ehemann und die Töchter liefern. Die ausgefallensten Motive waren bislang Wildschweine und Rehe, die sie auf einer Kerze für Jäger gestaltet hat.

Beers Kunden schätzen vor allem die Möglichkeit, in den Wachsartikeln eigene Ideen und Wünsche verwirklicht zu bekommen. Außerdem können sie dabei aus über dreißig verschiedenen Form­kerzen, rund hundertfünfzig Wachsfarben, Streifen, Borten und Verzierungen auswählen und auch mal – auf die Schnelle – außerhalb normaler Geschäftszeiten einkaufen. Die Rohprodukte bezieht die Künstlerin von namhaften Wachsziehereien. Eine Besonderheit stellen Kerzen aus Palmöl dar. Sie haben eine spezielle Struktur, die schon beim Gießen entsteht. Im Gegensatz zu Paraffinkerzen sind sie ohne chemische Zusatzstoffe, ohne Trennmittel oder künstliche Duftstoffe hergestellt und daher für Asthmatiker besonders geeignet. Palmöl ermöglicht eine besondere Farbkraft und verbrennt in einem breit angelegten Lichtspektrum und ohne Rückstände.

Am Aufwendigsten in der Herstellung sind die Osterkerzen. Für den Entwurf des Motivs, die Auswahl der Farben, das Ausschneiden der Wachsplatten, die fachgerechte Applikation auf dem Rohling und die endgültige Fertigstellung muss man pro Kerze mindestens drei Stunden rechnen.

In der Fastenzeit engagiert sich Frau Beer häufig in den umliegenden Schulen. Sie stellt Musterkerzen her, besucht den Religionsunterricht der örtlichen Grundschulen und bastelt mit den Kindern zusammen Kerzen für das Osterfest. Die Produkte aus ihrer Werkstatt sind mittlerweile aber auch überregional bekannt. Viele Aufträge kommen aus ihrer ehemaligen Heimat in Baden-Württemberg und werden von ihren Eltern, die sie tatkräftig unterstützen, ausgeliefert. In puncto Osterkerzen reicht ihr Kundenstamm bis nach Nigeria. Diese Kontakte verdankt sie dem ehemaligen Aushilfspfarrer von Hohenschambach, Herrn Hilary Ockulor. Er reist nämlich einmal im Jahr zu Besuch in seine ehemalige Pfarrgemeinde und nimmt auf dem Rückweg nach Afrika jedes mal für den dortigen Bischof und seine eigene Pfarrei die künstlerischen Erzeugnisse aus dem Atelier Beer mit.

Andrea Beer hat mit dem eigenen Wachskunst-Atelier ihren Traumberuf gefunden. Damit kann sie ihre kreative Ader voll ausleben. Gerade ging der Auftrag einer Pfarrei ein, die über hundert Weihnachtskerzen ohne weitere Vorgabe bestellt hat. Einzige Bedingung: jede Kerze soll ein individuelles Motiv haben. Somit darf die Künstlerin hier ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Etwa siebzig Prozent ihrer Arbeiten stellen die Kerzen dar, die sie zu den verschiedensten Anlässen – Taufe, Erstkommunion, Hochzeit, Ostern, Pfingsten, Weihnachten – mit persönlicher Note gestaltet. Die übrigen Produkte sind Wachsbilder, Wachsbücher, Schriftrollen, Wachsstöckl und Spezialaufträge. Manchmal verbirgt sich hinter einem Auftrag auch eine jahrhundertealte Tradition. Im Bayerischen Wald ist es beispielsweise Brauch, einem Sterbenden eine Kerze ans Bett zu stellen. Deshalb ordern die Sterbebegleiter aus dieser Gegend öfters im Jahr Kerzen mit besonderen Motiven für diese Verwendung.

Beers Handwerkskunst kann man das Jahr über auf regionalen Oster- und Hochzeitsmessen, wie zum Beispiel auf Schloss Eggersberg im Altmühltal, erwerben. Auf Weihnachtsmärkten im Freien ist Andrea Beer seit einigen Jahren nicht mehr vertreten, da die Kälte ihren Produkten zu sehr zu schaffen macht. Dem Lichtmessmarkt in Langquaid (Landkreis Kelheim), der in geheizten Räumen immer am Sonntag vor Maria Lichtmess (2.2.), - diesmal am 26. Januar 2014 - abgehalten wird,, hält sie dagegen nach wie vor die Treue. Denn mit ihm wird auch der Gebrauch der Wachsstöckl aufrecht erhalten. Früher bekamen die Mägde zu Maria Lichtmess, an dem früher das bäuerliche Arbeitsjahr zu Ende ging, zum Dank für ihren Einsatz vom Bauer oft einen verzierten Block aus Wachssträngen überreicht. Nach alter Sitte werden diese Wachsstöckl auch heute noch am Lichtmesstag in der Kirche geweiht. Ihnen wird eine besondere Segenskraft nachgesagt. Wachsstöckl waren und sind immer noch ein beliebtes Geschenk zu vielen Gelegenheiten. Nicht selten beschenkt man sich auch selbst mit einem dieser Kunstwerke, wenn man sich etwas Gutes tun will.

Weitere Informationen unter wachskunst-andrea.de

 

Christl Riedl-Valder

(aus: Altbayerische Heimatpost 1, 2014, S. 3)

Geburtstagskerze

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