Der Literaturpreis „Oberpfälzer Jura“ für Norbert Neugirg

Laudatio von Michael Eibl

 

Lesen Sie gerne das Vorwort eines Buches? Nein? Dann sollten Sie dies bei den Büchern von Norbert Neugirg unbedingt ändern. Ich will damit nicht sagen, dass diese Texte die literarischen Höhepunkte seines Werkes sind, aber sie führen uns sehr gut an den Literaten Norbert Neugirg heran. In seinem ersten Buch begann er so:

 

Wer an einem Buche schreibt

Und gleich am Anfang stecken bleibt,

der fängt mit einem Vorwort an –

auch so ist etwas Platz vertan.

 

Schließlich endet sein erstes Vorwort:

 

Und bleibt er nicht auf Büchern hocken,

bleibt der Autor eher trocken,

das heißt im Klartext, wenn´s gut läuft,

dass der´s schrieb, aus Frust nicht säuft.

Der Kauf des Buches hilft so auch

Gegen Alkoholmissbrauch.

Der Gründe sind das wohl genug-

Vielen Dank, der Kauf war klug

 

Diese Selbstironie ist ein wichtiges Charakteristikum im Stil des Norbert Neugirg: er kann über sich selbst lachen und nimmt sich selbst, sogar als Autor, auf die Schippe. Doch Vorsicht: das ist genau die Einleitung dafür, dass er hinterher die anderen umso humorvoller, hintergründiger, sarkastischer auf dieselbe Schippe entführen kann. „Ist das Lächeln beim Vorwort noch echt wie neu geboren, findest Du es später tief eingefroren.“

Bei seinem Vorwort zum zweiten Buch legt Neugirg bereits um 200 Prozent zu und ergänzt sein vorangestelltes Gedicht, gewohnt selbstironisch, mit einer „überflüssigen Eingangsbetrachtung zum Thema Vorwort“: „Die Dreistigkeit, seinem Buch eine nichts sagende, gereimte Sinnleere als Vorwort voranzustellen, beweist einmal mehr die Talentlosigkeit des Autors, über sein eigenes Werk etwas zu schreiben. Wofür auch. Wenn schon, dann schreibt er doch nicht über sondern in sein Buch, damit es voll wird.“

Dieses Vollwerden des Buches beschäftigt Norbert Neugirg dermaßen, dass er bei seinem nächsten Buch zwischen seine Texte Zeichnungen von Susanne Desing platziert, um seine „Ansichten und schlichte, nicht vernichtete Gedichte“ zu illustrieren. Hier dichtet er ein kurzes Vorwort:

 

„Ein Dichter saß beim Zoiglbier

Vor einem leeren Blatt Papier

Und hat darüber nachsinniert,

womit und wie das Blatt voll wird“

 

Nach diesem Gedicht folgt eine „Buch-Gebrauchsanweisung – vor dem Lesen unbedingt lesen!“, die wohl einmalig in der Literaturgeschichte ist! Schöner kann man den Produkthaftungs-Fetischismus unserer Zeit nicht aufs Korn nehmen. Die humoristische Frage nach Gebrauchsanweisungen hat nach meinem Wissen bisher nur Karl Valentin gestellt: Beim Kauf von Lebkuchen in der Konditorei Altmann richtet Valentin die Frage an den Geschäftsinhaber kurz vor dem Verlassen des Ladens: "Ham´s ma die Gebrauchsanweisung mit einpackt?" Bei seiner Buch-Gebrauchsanweisung hat sich Neugirg nach eigenen Angaben die „Fähigkeit zur juristischen Winkelzugformulierung“ dieser Schrift von„Betriebsanleitungen für Küchenrollen, Herrensocken, Thunfischdosen, Weihwasserkessel, Müsliriegel, Fahrradluftpumpen usw. angelesen“. Eine Gebrauchsanweisung für den Verzehr von Lebkuchen war nicht dabei, wohl aber die Schelmenartigkeit und der Humor á la Karl Valentin.

Man stellt sich die Frage: Wie fallen Norbert Neugirg diese Texte und Gedichte ein? Ein Grund für die schier unendliche Bandbreite an Themen liegt sicher in seinem abwechslungsreichen beruflichen Werdegang. Dazu kommt, dass er ein exzellenter Beobachter des Alltags ist. Sobald ihm eine Idee kommt, schreibt er sie auf, um dann daran zu feilen und zu reimen, bis er damit zufrieden ist.

Natürlich ist im Zusammenhang mit der Verleihung dieses Literaturpreises das besondere Engagement Norbert Neugirgs als Kommandant der Altneihauser Feierwehrkapell´n zu nennen, wenn gleich der Jury wichtig ist, dass der Preis seinem literarischen Werk gilt. Für die Jury mit Frau Eva Bauernfeind, Herrn Rudolf Bayerl, Herrn Prof. Dr. Eberhard Dünninger, Frau Dr. Marita A. Panzer und mir war der Autor, der mehr und mehr aus seiner ersten Hauptrolle des Kommandanten heraustritt von entscheidender Bedeutung. Symbolisch drückt dies das Titelblatt seines dritten Buches aus, wo Norbert Neugirg die Maske des einzahnigen, schmutzigen Kommandanten abnimmt und der „echte“ Neugirg hervortritt. Er hat mit seinen drei vorliegenden Büchern schon ein beachtliches literarisches Werk der Satire und der humorvollen, hintergründigen Texte geschaffen, die einmalig und ausdrucksstark in besonderer Weise die Oberpfälzer Lebensart präsentieren.

Dieser Norbert Neugirg schlüpft inzwischen auch bei den Auftritten der „Altneihauser Feierwehrkapelln“ aus der Rolle des Kommandanten heraus und nimmt zum Beispiel die Rolle Edmund Stoibers an, um ihn in unnachahmlicher Weise zu parodieren. Dabei benötigt er nicht wie andere Kabarettisten dessen berühmtes Transrapid-Hauptbahnhof-Zitat, sondern Neugirg verwendet deutsche Sprichwörter, um sie genau in diesem Rhetorikstil Stoibers so zu verstolpern und zu verstoibern, dass man den Bezug zum politischen Original sofort versteht: ein verzwickt vertracktes literarisches Wortspiel, das zeigt, wie perfekt Neugirg mit den Worten jongliert.. 

Als Beispiel für seinen politischen Humor soll ein kurzer Text dienen, den Neugirg anlässlich der Verleihung des Schauerpreises reimte. Er begrüßte damit die Anwesenden, unter denen sich auch die Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause befand. Typisch Neugirg schwenkt er an der Stelle, an der sich die politischen Gegner der Grünen schon beinahe auf die Schenkel klopfen, um, und nimmt diese selber schlagartig aufs Korn.

„Margarete Bause hat mich angewiesen,
sie heut´ gebührend zu begrüßen,
wenn sie sich schon in einem Nest
in Bayerisch-Kongo blicken lässt,
wo bekanntlich seit der Pest
und für aller Tage Rest
die CSU das Volk regiert
und seit der Pest nichts besser wird“.

Besonders fällt auf, dass der Autor bei all seinen Möglichkeiten, die Menschen und das Alltagsgeschehen auf die Schippe zu nehmen, nie ins Derbe oder Verletzende abgleitet, so wie wir es inzwischen bei mehreren Kabarettisten erleben müssen, sondern sein Niveau immer das gepflegte „auf den Arm nehmen“ bleibt. So lässt man sich gern verspotten. Dies ist eine Art von Humor, die Zuhörer und Leser jung und wach hält bis zum letzten Gag oder bis zur letzten Zeile. 

Vorbilder sind für Norbert Neugirg Karl Valentin, Gerhard Polt und Loriot. Es sind Vorbilder, wie er betont; er will sie nicht kopieren. Dazu ist er auch viel zu bescheiden. Und gerade deshalb kann man feststellen, dass er vieles mit diesen berühmten Vorbildern gemeinsam hat. Es ist vor allem der Ernst, der hinter seinem Humor steht. Loriot hatte gesagt: „Heiterkeit ist ohne Ernst nicht zu begreifen.“ Hätte er Neugirg gekannt, er würde bezogen auf ihn ins Schwarze treffen. In vielen seiner Gedichte, Geschichten, Kolumnen, die Norbert Neugirg für den Neuen Tag geschrieben hat, sind die ernsten Themen Ausgangspunkt für seinen Witz, seine Wortakrobatik, seine Verschachtelungen. Vielleicht gelingt es ihm gerade dadurch viel mehr als manch anderen, die Menschen für ernste Themen zu interessieren.

Der gläubige Norbert Neugirg nimmt auch gerne seine Kirche aufs Korn und setzte sich mit dem Text „Papa an de Pfortas“ im Jahr 2006 mit dem bevorstehenden Papstbesuch in Bayern auseinander. Er prognostizierte sehr vorausschauend eine Lawine von Ehrenbürgerschaften, Gedenktafeln, Papsttorten, Benediktsäulen usw. Er attestierte dem Heiligen Vater als Träger des Karl Valentin Ordens genügend Humor, um das „Säbel-Tschinderassabum des Bundespräsidenten-Bundeskanzlerduos Köhler-Merkel“ gut zu überstehen, ebenso wie „die obligatorische Wichtigtuerei der weißblau-karierten Landeshauptstadt-Connection“, um endlich „in medias res“ im Zentrum der Reise anzukommen: In der Oberpfalz!

Wie sagte Neugirg so schön: „Notwendige Nebensächlichkeiten des Papstbesuches liegen außerhalb der Oberpfalz. „Vor den Toren“ halt oder „ante portas“ oder in freier bayerischer Übersetzung: „An de Pfortas“ – Willkommen daheim!“

Norbert Neugirg - Herzlichen Glückwunsch zum Literaturpreis im Oberpfälzer Jura, an den humorvoll satirischen Literaten, den Kulturbotschafter der Oberpfalz, der diesen Preis nur noch mit dem Karl Valentin Orden toppen kann, hier im Zentrum der Oberpfalz: Willkommen daheim!