Steine werden lebendig

Die Tierplastiken und Skulpturen der Riedenburger Bildhauerin Olga Koulikova

 

Portrait Olga Koulikova

Olga Koulikova

Die Forelle in ihrem marmorierten Schuppenkleid aus Blau-, Ocker und Grautönen, die sich in typischer gekrümmter Haltung an den steinigen Untergrund schmiegt, wirkt wie echt. Den Werkstoff Speckstein sieht man ihr nicht an. Genauso realistisch nachempfunden ist die kleine Bronzefigur eines Bisons, der den Kopf zum Angriff gesenkt hat und die Hufe in den Boden stemmt. Viele feine Linien charakterisieren die Rauheit seiner Lederhaut. Eine im Flug dargestellte Schwalbe dagegen ist glatt poliert und stellt doch in ihrer Abstraktion das Typische des Vogelfluges dar. Die Tierschau in der Werkstatt der Künstlerin Olga Koulikova in Riedenburg umfasst noch viele andere Gattungen, angefangen von Schnecken, allerlei Vögel und Fische, Otter, Katzen, Hunde und Rehwild bis hin zu Raubtieren und Mammuts.

Angesichts der zierlichen, schlanken Bildhauerin würde man nicht vermuten, dass sie neben diesen kleinformatigen Plastiken auch Werke geschaffen hat, die sehr viel Körperkraft erfordern. Für den Zoo in Rostock fertigte sie zum Beispiel ein Leopardenpärchen in einem Relief, das zweieinhalb Meter lang und über einen Meter hoch ist.

Tiere sind das Lieblingsthema von Olga Koulikova. Der Künstler, so sagt sie, hat bei der Darstellung dieser Geschöpfe die Chance, mit seiner Komposition auch menschliche Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Darin sieht sie den Reiz dieser Arbeit. Die gebürtige Moskauerin lebt schon seit über zwanzig Jahren im idyllischen Altmühltal, dessen malerische Flusslandschaft ihr ans Herz gewachsen ist. Sie machte 1977 ihren Abschluss an der Kunsthochschule und war dann Mitglied im Künstlerverband der UdSSR. Ihr bislang größtes und umfangreichstes Werk schuf die Künstlerin zwischen 1980 und 1984 für den Saal der Säugetiere im Paläontologischen Museum Moskau. Es handelt sich um ein über 150 Quadratmeter großes Kalksteinrelief. Die zahlreiche ausgestorbene Tier- und Pflanzenarten, die das Kunstwerk zeigt, hat die Bildhauerin alle in Handarbeit mit Hammer und Meißel aus dem Stein geschlagen. Die Fachwelt war begeistert über den plastischen Ausdruck der Darstellungen, wie zum Beispiel die Modellierung der Muskeln unter dem Fell eines laufenden Tieres, die Augen und die Dynamik der Körper in Bewegung. Eine große Anzahl an Naturskizzen hatte die Künstlerin in ihren Vorarbeiten dafür angefertigt. Ihre bei diesem Auftrag erworbenen Erkenntnisse über die wissenschaftlich korrekte Darstellung dieser Motive kamen Olga Koulikova auch bei ihrer jüngsten Sonderausstellung im Jura-Museum von Eichstätt zugute, wo die Bildhauerin viele Steinfiguren prähistorischer Tiere, vor allem unterschiedlicher Arten von Dinosauriern, präsentierte.

Ein Teil ihrer Werke war in Deutschland bereits in rund zwanzig Einzelausstellungen zu sehen. Immer wieder fertigt sie auch Privataufträge an. Figuren für Grabmäler skizziert die Künstlerin erst auf Papier, modelliert sie dann in Ton, macht ein verkleinertes Modell und anschließend einen Gipsabguss in Originalgröße. Anhand dieses Gipsmodells wird dann die Skulptur in Marmor oder in jeden sonstigen gewünschten Stein gemeißelt. Ein besonders gelungenes Werk stellt der „Bayerische Bacchus“ dar. Eine Kundin wünschte sich ihren verstorbenen Ehemann, der im Sommer immer gern im Garten bei einem Gläschen Wein saß, in Marmor als Gartenstatue verewigt. Die Künstlerin fertigte dazu von Fotovorlagen ein Tonmodell und schuf den Verstorbenen als humorvollen Gott des Weines. Die Tatsache, dass für das Tonmodell 36 Arbeitsstunden, für die Ausführung in Stein 180 Stunden anfielen, lässt erahnen, wie umfangreich die Arbeiten an einem Werk dieser Art sind.

Um das Jahr 2000 entschloss sich die Künstlerin, eine Zusatzausbildung im Bereich Computerdesign zu absolvieren. Dieses Wissen konnte sie dann bei ihren neu geschaffenen Kunstwerken gleich gewinnbringend einsetzen. Das Talent der Bildhauerin zur exakten Kopie vorgegebener Bildwerke war gefragt, als sie den Auftrag erhielt, von zwei mittelalterlichen Grabplatten der Ritter Hans und Sebastian aus dem Geschlecht der Parsberger maßstäblich verkleinerte Duplikate anzufertigen. Für die Dokumentation der Vorbilder und die weiteren Vorbereitung zur exakten Reproduktion griff der Künstlerin auf die arbeitssparenden Techniken der modernen Foto- und Bildbearbeitung zurück. Zur Freude der Auftraggeber gelangen diese schwierigen Reproduktionen mit hervorragendem Ergebnis. Die Werke sind mittlerweile im Burgmuseum von Parsberg ausgestellt. Die Künstlerin konnte für die Grabplatten sogar die gleiche Steinsorte, wie sie für die Originale verwendet worden war, auftreiben. Es handelte sich um den so genannten „Adneter Marmor“, der heute noch wie schon vor 500 Jahren im Salzburger Land abgebaut wird. Besonders interessant fand die Meisterin im Rahmen dieses perfekten Kopiervorgangs die Analyse der alten Handwerkstechnik und die Untersuchung der Stilrichtungen der damaligen Meister. Olga Koulikova hat sich seitdem immer wieder intensiv mit den Werken einzelner herausragender Bildhauer vergangener Epochen beschäftigt. Mittlerweile gibt sie auch ihr Wissen über deren Arbeitstechniken weiter. Auf diese Weise ermöglicht sie bei ihren Vorträgen, dass die Zuhörer die Meisterwerke von der Praxisseite her verstehen können. Im Moment steht der klassizistische Bildhauer Ludwig von Schwanthaler, der neben der Bavaria in München unter anderem auch die Marmorstatuen der Befreiungshalle in Kelheim schuf, im Mittelpunkt ihrer Untersuchungen. Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 150. Jubiläum dieses Bauwerkes wird sie die Arbeitsweise und die schwierige Technik, mit der diese einzigartigen Kunstwerke geschaffen wurden, erläutern.

„Künstler zu sein, ist kein normaler Beruf – es ist ein Schicksal, das einen durch alle Höhen und Tiefen des Lebens begleitet“, äußert sich die Riedenburgerin im Gespräch. Sie hat leider die Erfahrung gemacht, dass die Bildhauerei in unseren Tagen von Staat und Kommunen nur selten gefördert wird, von der Allgemeinheit wenig geschätzt ist und kaum mehr Denkmäler in Auftrag gegeben werden. „Du bist zu konservativ“, meinten manche Kritiker angesichts der überwiegend naturalistischen Darstellungsart ihrer Werke. Doch das ist ihre künstlerische Handschrift. Ihr muss die Bildhauerin treu bleiben. Sie lässt sich nicht je nach Marktlage verbiegen. Am besten wäre es ihrer Meinung nach, wenn alle Stilrichtungen gleichermaßen Anerkennung finden könnten. Für die nahe Zukunft hat die Künstlerin einen großen Wunsch: sie möchte ihrem Publikum einmal die ganze Bandbreite und Vielseitigkeit ihres bisherigen Schaffens in einer großen Ausstellung präsentieren. Vielleicht bietet sich ja dazu im nächsten Jahr anlässlich ihres 60. Geburtstages die Chance.

Christl Riedl-Valder

Weitere Informationen unter www.olga-ok.de

aus: Altbayerische Heimatpost, 65. Jg., Nr. 16 (15.4. - 21.4.), 2013, S. 3.

Bacchus

Bacchus

Bison

Bison

Forelle

Forelle

Fotos: Olga Kolikova, Riedenburg