Regensburger Totenkult in früheren Zeiten

Barocke Grabdenkmäler entschlüsseltBettina Ulrike Schwick: Dieser Stein / Soll der Nachwelt Zeuge seyn

Bettina Ulrike Schwick: Dieser Stein / Soll der Nachwelt Zeuge seyn. 

Untersuchungen zu barockzeitlichen Epitaphien der Reichsstadt Regensburg, 

Regensburg 2012, 332 S., 16 Farb-, 137 SW-Abb., 39,95 €

So mancher Besucher der Minoritenkirche im Stadtmuseum, der ehemaligen Abteikirche St. Emmeram oder der Stiftskirche Alten Kapelle wird schon die repräsentativen Grabtafeln aus dem 17. und 18. Jahrhundert entdeckt haben, die dort an Wänden und Pfeilern anzutreffen sind. Bei ihrem Anblick kommt der Wunsch auf, die Bedeutung der Inschriften, der Reliefbilder, Ornamente und Figuren zu verstehen und damit einen Einblick zu bekommen, wie man vor Jahrhunderten das Angedenken an die Toten praktizierte.

Die jüngste Publikation aus dem Universitätsverlag Regensburg bietet dazu nun reichhaltige Informationen in Wort und Bild. Die Kunsthistorikerin Bettina Ulrike Schwick hat über sechzig Denkmäler aus dem reichen Bestand barocker Epitaphien in Regensburg akribisch untersucht, beschrieben und dokumentiert. Sie entschlüsselte die Inschriften, erforschte die Bedeutung des plastischen Schmucks und seine Vorbilder, trug alle Informationen zur Biografie des Verstorbenen zusammen, sichtete die Quellen im Hinblick auf die Auftraggeber und Bildhauer und beurteilte die künstlerische Bedeutung der Monumente. Darüber hinaus wird der Leser über die protestantischen und katholischen Bestattungs- und Trauerriten sowie die Friedhöfe in Regensburg im 17. und 18. Jahrhundert informiert und erfährt sehr viel über die Wertvorstellungen und das Selbstverständnis der Menschen damals.

In der vorliegenden Arbeit wird erstmals ein größerer Teil der barocken Grabtafeln ausgewertet. Ihre Auftraggeber stammen vor allem aus der evangelischen Ober- und Mittelschicht, waren Ratsmitglieder, Kaufleute oder Ärzte, oder kamen aus den Reihen der Angehörigen des Immerwährenden Reichstages, der als Ständevertretung im Heiligen Römischen Reich von 1663 bis 1806 in der Stadt tagte. Im Fall des Todes hoch stehender Persönlichkeiten sah sich die Familie oft verpflichtet, dem gesellschaftlichen Rang des Verblichenen auch über den Tod hinaus einen bleibenden Ausdruck zu verleihen. Waren die finanziellen Mittel vorhanden, konnte man Aufträge an herausragende Künstler vergeben und prächtige Monumente anfertigen lassen. Während sich für die protestantischen Gesandten als Ruhestätte der Kirchhof der Dreieinigkeitskirche etablierte, fanden katholische Reichstagsangehörige bevorzugt in St. Emmeram ihre letzte Ruhestätte. Bedeutende Epitaphien von Mitgliedern der protestantischen Bürgerschaft gelangten nach der Auflassung des Lazarus- und Petersfriedhofs in die ehemalige Minoritenkirche.

Eine Grundlage für dieses Buch bildeten die umfangreichen Forschungen des Regensburger Uniprofessors Hans-Christoph Dittscheid über die Epitaphien des protestantischen Gesandtenfriedhofs an der Dreieinigkeitskirche. Er war es auch, der diese Untersuchung anregte, der Autorin beratend zur Seite stand und ihre Doktorarbeit betreute. Sie liefert nun einen weiteren Mosaikstein zur Kunst und Kulturgeschichte der noch in weiten Teilen unerforschten Regensburger Grabdenkmäler.

Dr. Chr. Riedl-Valder, aus: Mittelbayerische Zeitung 3.7.2012